Walisische Weltwunder

In Wales gibt es mehr Burgen und Festungen pro Quadratmeter
als irgendwo sonst auf der Welt. Einige zählen zum Unesco-Weltkulturerbe, die imposantesten sind im Norden zu finden.

Very britisch: Rote Telefonzelle vor Conwy Castle. Foto: Neubauer
Very british: Rote Telefonzelle vor Conwy Castle. Foto Neubauer

„Hier liegt Eduard I, Hammer der Schotten“ – so lautet übersetzt die lateinische Inschrift auf dem Grab des englischen Königs Edward I (1239 – 1307). Den martialischen Beinamen erhielt der Monarch normannischer Herkunft wegen seiner grausamen Kriegszüge gegen Schottland. Dabei hat Edward ein anderes Volk mindestens genauso brutal geknechtet und unterdrückt wie die Schotten: die Waliser. Noch heute zeugt ein Gürtel imposanter Burgen und Festungen, der sogenannte „Iron Ring“ (eiserner Ring), in den grünen Hügeln und entlang der malerischen Küstenlandschaften von dieser Unterdrückung. Alle Burgen sind herausragende Beispiele für die mittelalterliche Militärarchitektur in Europa und können ganzjährig besichtigt werden.

Die Burg Conwy

Conwy Castle liegt am gleichnamigen Fluss Conwy.  Foto: Crown/Visit Wales


Von Manchester aus kommend führt der Weg zunächst ins Städtchen Conwy. „Die Festung wurde in atemberaubender Geschwindigkeit errichtet“, weiß Gästeführer Noel Clawson. „Im Jahr 1283 begonnen, waren die Burg und die eineinhalb Kilometer lange Stadtmauer mit ihren 21 Rundtürmen bereits 1287 fertiggestellt.“ Das sei vor allem für die damalige Zeit bemerkenswert. Conwy, das ebenfalls zum Weltkulturerbe zählt, gilt heute als eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte in Europa. Wer über die massiven Stadtmauern schlendert oder von einem der Türme aus einen Blick aufs das Hinterland wirft, versteht sofort, dass Conwy, wie alle Festungen Edwards vor allem einen Zweck diente, nämlich jede Rebellion der Walliser gegen die englische Knechtschaft unmöglich zu machen. „Walisern war es verboten, die Stadtmauern von Conwy zu betreten“, sagt Clawson. „Edward sicherte mit den Burgen nicht nur seine eigene Herrschaft über Wales und die seiner Nachkommen, sondern auch die weiterer englischer Monarchen und zwar über Jahrhunderte.“ 

Ein Zug von Arriva Trains Wales vor Conwy Castle. Foto: Crown/Visit Wales

Heute gehört Conwy Castle zum UNESCO Weltkulturerbe und ist eines der besten erhaltenen Gebäude seiner Zeit. Seine acht Türme, die große Schlosshalle und die Befestigungsanlage sind ein beeindruckendes Zeugnis von überstandenen Schlachten und Belagerungen. Kaum ein anderes Schloss vermittelt so eindrucksvoll die Atmosphäre des Mittelalters. In einem 2012 neugebauten Besucherzentrum können Besucher sich auf 150 Quadratmeter über die Geschichte der Burg und ihrer Bewohner informieren. Die Betreiber veranstalten regelmäßig Events, wie Ritterturniere, mittelalterliche Spiele für die ganze Familie und Wochenenden, in denen Schauspieler in historischen Kostümen die Burg zum Leben erwecken.

Die Burg von Conwy ist das imposanteste Gebäude in der ummauerten Stadt Conwy. Beide sind nach dem Fluss Conwy benannt, der hier ins Meer mündet. Foto: Visit Wales
Die Burg Conwy liegt am Ufer des gleichnamigen Flusses. Foto: Crown/Visit Wales

Die Burg Beaumaris

Burg Beaumaris Das Städtchen Beaumaris (schöne Marschlandschaft) mit dem gleichnamigem „Castle“ trägt seinen Namen zu Recht! Der Ort ist von sanften grünen Hügeln umgeben, auf denen Schafe grasen. Im Hintergrund erhebend sich die noch schneebedeckten Gipfel des imposanten Snowdonia Gebirges. Auch die Burg ist schön. Wie Damen, die ihre Proportionen im Spiegel bewundern, erscheinen die runden Türme im Spiegelbild des Wassergrabens. Beaumaris ist die einzige Wasserburg, die Edward I. ab 1295 errichten ließ und wirkt viel weniger trutzig und bedrohlich. Sie ist die letzte Festung des „Iron Ring“ und blieb unvollendet.

Beaumaris ist die „hübscheste“ Festung von Eduard I. in Wales. Foto: Visit Wales

Die Burg Caernarfon

 Nach einem Erinnerungsfoto von Beaumaris geht es weiter nach Caernarfon, dessen mittelalterliche Altstadt von einer Trutzburg mit sieben Türme dominiert wird. Wer heute auf die Burg zuläuft, kann man sich leicht vorstellen, wie furchterregend sie im Mittelalter gewirkt haben muss. Ihre schiere Größe ist eindruckend, die gesamte Anlage noch weitgehend intakt. „Caernarfon war zu Edwards Zeiten eine englische Enklave mitten in walisischem Siedlungsgebiet“, erklärt Clawson. Immer wieder sei es deshalb zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Walisern gekommen – zuletzt 1294. Dabei wurde der Anführer der Waliser Madog ap Llywelyn, ein Abkömmling des alten Fürstenhauses Gwynedd vernichtend geschlagen. „Seitdem sagen wir für gewöhnlich: Wir kämpfen nicht mehr gegen die Engländer. Wir schlagen sie einfach im Rugby“, fügt Clawson augenzwinkernd hinzu. Wer neben den Burgen und der Geschichte des Landes auch Natur erleben möchte, hat dazu viel Gelegenheit. Die Küste von Wales ist fast 1200 Kilometer lang. Das Land besitzt gleich mehrere „Areas of Outstandig Natural Beauty“ , also Regionen von außerordentlicher Schönheit, die sich zu Fuß, mit dem Rad oder auf dem Pferderücken erkunden lassen. Der höchste Berg von Wales ist mit 1085 Meter der Mount Snowdon. Der Legende nach soll ihn auch schon König Artus bestiegen und auf dem Gipfel einen Riesen namens Rhitta besiegt haben.

Die schiere Größe der Burg Caernarfon ist beeindruckend. Foto: Visit Wales

Burg Harlech

 Die imposanteste von Edwards Burgen ist für viele Harlech Castle, das auf einem Felsen oberhalb der Tremadog Bucht thront. Sie wurde seit ihrer Fertigstellung 1283 baulich kaum verändert. Mit zwei Mauerringen inklusive Türmen und einem ungeheuer starken Osttor war die Burg fast uneinnehmbar. „Während der Rosenkriege widerstand die Besatzung von 1461 bis 1468, also sieben Jahre lang, der Belagerung“, berichtet Clawson. „Das war nur deshhalb möglich, weil die Burg über eine geheime Treppe, die zum Fuß der Klippe führte, vom Meer aus versorgt werden konnte“. Auf die langjährige Belagerung von Harlech bezieht sich übrigens das Lied Men of Harlech, das sowohl in Amerika wie auch in Wales als Schlachtgesang von Rugby-Fans populär ist. Von den Zinnen der Festung hat man einen wunderbaren Blick auf die zerklüftete Bergwelt des Snowdonia Nationalparks und den bei Ebbe schier endlosen Strand am Fuße des Burgbergs. Bei schönem Wetter gelingen hier selbst Hobbyfotografen Aufnahmen mit Postkartenqualität. Deshalb kommt beim Abschiedsessen im herrschaftlichen Dinner Room des Bron Eifion Country House Hotel bei den Teilnehmern der Reise Wehmut auf. Alle wollen wiederkommen, um „Croeso i Cymru“ zu hören – den gälischen Satz für Willkommen in Wales!

Ruine von Harlech Castle gilt als ein herausragendes Beispiel für die europäische Militärarchitektur des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts. Foto: Visit Wales

Diese Recherche wurde unterstützt von Visit Wales. Mehr Informationen unter www.visitwales.com/de


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